In der Müller-Guttenbrunn-Schule in Fürth wird Lesekultur groß geschrieben
Ein Bericht von Barbara Zeizinger
Betritt ein Besucher den großzügigen Eingangsbereich der Müller-Guttenbrunn-Grundschule in Fürth, so fällt ihm sofort auf, dass das Thema Lesen groß geschrieben wird. Untersuchungen aus dem Sachunterricht oder Frühlingselfchen – das Foyer hängt voller Plakate und Blätter, auf denen Schülerinnen und Schüler Ergebnisse aus dem Unterricht dokumentiert haben.
Von Kindern einer zweiten Grundschulklasse stammen die Zeichnungen mit Illustrationen des Gedichtes von Hildegard Pollheim über den Bücherwurm und die Leseratte. Und wenn es in den beiden letzten Strophen heißt: „Ich lad dich ein – ich bin so frei – / komm mit mir in die Bücherei. // Dort kannst du in allen Ecken / neue Bücher stets entdecken“, dann wissen die Kinder, wovon die Rede ist.
Eine Bibliothek als Herzstück der Lesekultur
Denn an der Müller-Guttenberg-Schule spielt Lesekultur in allen Klassen, innerhalb und außerhalb des Unterrichts, eine wichtige Rolle. Einer der Schwerpunkte der Schule ist es, Lesemotivation und Lesekompetenz bei den Kindern zu entwickeln. Dabei geht das Konzept der Schule über das hinaus, was das erste strategische Ziel des Kultusministeriums den Schulen vorgibt, nämlich, dass am Ende des zweiten Grundschuljahres alle Kinder in der Lage sein sollen, altersgemäße Texte sinnerfassend lesen zu können.
Das Herzstück dieses Konzeptes ist die Bibliothek. Ihre Anfänge liegen bereits im Jahr 1993, als die Lehrerin Ingrid Müller sie kontinuierlich aufgebaut hat. In ihrer heutigen modernen Form besteht sie seit 2010. Ihre Leiterin und gleichzeitig Lesebeauftrage der Schule ist die Deutsch-und Musiklehrerin Beatrix von Gemünden. Unterstützt wird sie von Monika Kilian-Rabeneck, die den heutigen Bestand von über 2.000 Büchern mit ausgesucht und im Littera-Computerprogramm katalogisiert hat, sowie zwei weiteren Kollegen.
Die Bibliothek ist täglich geöffnet: für die Klassen 1 und 2 in der ersten Pause und für die Klassen 3 und 4 in der zweiten Pause. „Es gibt immer einen großen Andrang“, berichtet Monika Kilian-Rabeneck und stellt weiterhin fest: „Im Großen und Ganzen gehen die Kinder gut mit den Büchern und den Regeln – zwei Bücher pro Ausleihe für drei Wochen – um.“ Damit das von Anfang an so ist und die Kinder lernen, dass Bibliothek sowie Ausleihe zum schulischen Alltag gehören, bekommen die Erstklässler eine Einführung und anschließend einen Ausweis.
„Bestseller“ sind ständig ausgeliehen
„Am Anfang muss man ein bisschen schauen, was sie ausleihen“, erklärt Beatrix von Gemünden. Grundsätzlich gibt es aber für das, was sich die Kinder aussuchen, keine Vorschriften. Im Gegenteil: Die Anschaffungen richten sich stark nach den Wünschen der Schülerinnen und Schüler. Das sieht man besonders an dem Regal mit den Neuerscheinungen: „Gregs Tagebuch“ wurde gleich doppelt erworben und wo „Mia and me“, das Buch zu dem es eine Fernsehserie gibt, stehen sollte, klafft eine Lücke, weil alle Exemplare sofort nach der Anschaffung ausgeliehen wurden. Weitere Favoriten sind „Mariella, das Meermädchen“, „Das magische Baumhaus“ und „Die 3 !!!“.
Neben den „Bestsellern“ bietet die Bibliothek natürlich noch viel mehr. Es gibt Bilderbücher, Erstlesebücher, Krimis, Comics und viele Sachbücher sowie CDs. Werden bestimmte Sachthemen im Unterricht behandelt, greifen nicht nur die Kinder, sondern auch die Kollegen gern auf den Bestand in der Bibliothek zurück bzw. lassen sich eine Themenkiste zusammenstellen.
Zahlreiche zusätzliche Aktionen
Um die Bibliotheksarbeit und die Lesekultur insgesamt in der Schule zu unterstützen, gibt es rund um das Buch zahlreiche Aktionen:
Online-Projekt Antolin
Beim Blick über Regale fällt auf, dass viele Bücher besonders gekennzeichnet sind. Dies sind Aufkleber für Titel, die zu dem Online-Projekt „Antolin“ gehören, an dem sich die Schule beteiligt. Dieses Online-Portal hat Fragen zu bestimmten Büchern entwickelt, die die Kinder beantworten und somit ihr Verständnis von Texten testen können. Als Belohnung winken Punkte und Urkunden.
Bibfit Lesekompass
Alle Kinder der ersten und zweiten Klassen besuchen insgesamt sechs Mal die Bücherscheune Fürth. Hier machen sie ihren Bibliotheksführerschein, d. h. zusätzlich zu ihren Erfahrungen mit Büchern in der Schule, lernen sie, sich selbständig in einer größeren Bibliothek zu bewegen und diese zu nutzen. Zusammen mit den Eltern wird der Lesekompass gefeiert.
Ein weiterer Kooperationspartner ist die örtliche Buchhandlung Valentin, die den Lesekoffer für die Klassen 3 und 4 zusammen- und den Klassen zur Verfügung stellt.
Einbeziehung der Eltern
Bei der Erziehung zum Lesen wird grundsätzlich großer Wert auf die Mitarbeit der Eltern gelegt. Mütter und Väter erhalten Vorlesegutscheine und lassen sich zu Hause vorlesen. Dies dokumentieren sie mit einem Stempel im sogenannten Lesepass.
Beatrix von Gemünden beendet das Schuljahr immer mit einer Lesenacht, bei der die Kinder in der Schule übernachten. Auch dabei spielen die Eltern eine wichtige Rolle, indem sie für das leibliche Wohl sorgen. Als kleinere Variante gibt es während des Schuljahres auch noch einen Lesenachmittag. Diese Termine legt jeder Klassenlehrer individuell fest.
Tag des Vorlesens
An einem Tag im November lesen die größeren Kinder kleineren vor. Dazu gehen die Drittklässler in einen Kindergarten und die Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse lesen Erstklässlern vor. Und während die Kleineren zuhören lernen, müssen sich die Größeren bemühen, so gut vorzulesen, dass alle es verstehen.
Autorenlesungen
Professionelle Vorleser und einen Einblick in die Werkstatt eines Autors erhalten die Kinder durch regelmäßige Autorenlesungen. So war in letzter Zeit Sabine Rahn mit ihrem „Hexenalarm“ zu Gast, und Anne Steinwart las aus „Sternenhimmel Fliegendreck“. Im November 2014 wird Armin Pongs sein „Krokophil“ vorstellen.
Lesen im Unterricht
Im Mittelpunkt der Leserziehung steht natürlich der Unterricht. In diesem Zusammenhang hat die Schule einen umfangreichen Baustein entwickelt. Darin wird als erster Punkt festgehalten: „Lesen findet mehr oder weniger in allen Unterrichtsfächern statt.“
Bekanntermaßen haben besonders in den weiterführenden Schulen Jugendliche Probleme Arbeitsanweisungen richtig zu verstehen. Deshalb werden in der Müller-Guttenbrunn-Schule von Beginn an
- Verstehen von schriftlichen Arbeitsanweisungen,
- Sinnentnahme bei Informationstexten
- bei Textaufgaben die Umwandlung von Information in mathematisches Verständnis trainiert.
Vorlesen hat einen festen Platz im Unterricht und es finden regelmäßig Lesezeiten statt, in denen die Kinder individuell lesen können.
Welchen Raum Lesen und der Umgang mit Büchern in der Schule einnehmen, zeigt mir Beatrix von Gemünden am Beispiel des Klassenraums ihrer zweiten Klasse. Dort stehen nicht nur jede Menge Bücher, sondern man kann auch den kreativen Umgang der Kinder mit ihren Lektüren entdecken: Die Klasse hat z. B. gemeinsam das Buch von Janosch „Post für den Tiger“ gelesen und jedes Kind hat eine kunstvoll bemalte Papierrolle als persönlichen Briefkasten gestaltet. In der dritten Klasse bei Maritta Schmitt kann man Lese-Kisten (ursprünglich Schuh-Kartons) bewundern, in und auf denen Lesestoff mit verschiedenen Materialien umgesetzt worden ist.
Lesewettbewerb
Was die Kinder durch diese vielfältige Beschäftigung mit Büchern gelernt haben, können sie bei einem Lesewettbewerb unter Beweis stellen. Gemäß der Intention der Schule, dass mit Lesen auch immer Textverständnis verbunden sein soll, ist dieser Wettbewerb zweigeteilt: Das heißt, die Teilnehmer lesen erst aus einem von ihnen ausgesuchten Buch vor, während sie im zweiten Teil der Präsentation Fragen zu einem fremden Text beantworten müssen (mit 10 Minuten Vorbereitungszeit).
Im Kontext der Ganztagsschule
Gabi Malsch ist Koordinatorin für den Ganztagsbereich. Sie erläutert, dass die Bibliothek aus GTA-Geldern und durch den Förderverein finanziert wird.
95 Kinder von insgesamt 330 Kindern nehmen am Nachmittagsangebot teil, in das die Bibliothek miteinbezogen ist.
Sie fungiert dabei nicht nur als Informationsquelle, sondern auch als ein geschützter Raum, in dem die Kinder einfach schmökern, CD hören, kurz, sich zurückziehen können.
In diesem Zusammenhang hat die Schule die sogenannte „Lesetreppe – Große lesen für Kleine“ entwickelt, in dessen Rahmen Dritt- und Viertklässler den jüngeren Schülern vorlesen. Denn: „Gerade im 1. und 2. Schuljahr brauchen die Kinder, die noch nicht oder nicht flüssig lesen können, oft ruhigere Phasen, um den neuen und ungewohnten Ablauf vom Vormittag verarbeiten zu können und sich auf den lebhaften Nachmittag in der Betreuung einzulassen.“ Die Kleinen genießen die Entspannung, üben sich im Zuhören, die Großen lernen, passende Bücher auszusuchen und deutlich vorzulesen. Gleichzeitig werden dadurch Verantwortung und Sozialverhalten geübt.
Aber auch den „Großen“ wird manchmal von den Fachkräften vorgelesen und die Bücherei kann in der Ganztagsbetreuung auch dafür genutzt werden, um bestimmte Themen oder Konflikte anzusprechen.
„Lesen ist ein großes Wunder“, schrieb die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach schon 1893. Zwei Jahrhunderte später können die Kinder der Müller-Guttenbrunn-Schule das bestimmt bestätigen.
Autorin: Barbara Zeizinger
Fotos: Müller-Guttenbrunn-Schule Fürth
Datum: 2. Juni 2014
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Kontakt:
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In den Pfarrwiesen 1
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Tel.: 06253/5564
Fax.: 06253/239087
E-Mail: poststelle(at)mgs.fuerth.schulverwaltung.hessen.de
Homepage: https://www.mgsfuerth.de/
Links und Literatur:
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Beratung und Weiterbildung:
LAG Schulbibliotheken in Hessen e.V.
Jean Rossa, Albert-Schweitzer-Schule, Alsfeld
Tel.: 0152/ 55488611
montags (8-15 Uhr) und dienstags (8-15 Uhr)
E-Mail: jr(at)schulbilbliotheken.de
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Tel.: 07121 / 144-105
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