Drei Fragen an … Kerstin Leonhardt, Projektleiterin Ganztagskonzept Grundschulen am Stadtschulamt Frankfurt am Main.
Die Stadt Frankfurt hat beschlossen, ein Gesamtkonzept für schulische Ganztagsangebote an Grundschulen zu entwickeln und möchte so die bereits bestehenden Modelle zusammenführen und weiterentwickeln. Wie der Beteiligungsprozess abgelaufen ist und wie es weitergeht, erklärt Kerstin Leonhardt im Interview.
1. Die Stadt Frankfurt hat beschlossen ein Gesamtkonzept für schulische Ganztagsangebote an Grundschulen zu entwickeln. Was sind die Ziele, die damit verbunden sind?
Wie die meisten Großstädte in Deutschland, wächst auch Frankfurt am Main stark an. Die Stadt ist ein internationaler Wirtschafts- und Finanzstandort. Frankfurt bietet eine attraktive Bildungslandschaft mit Schulen aller Schulformen. Seit 15 Jahren flankiert die Stadt die Ganztagsprogramme des Landes mit kommunalen Förderlinien. Bis heute können jedoch nicht alle Bedarfe nach ganztägiger Versorgung von Grundschulkindern gedeckt werden. Formuliertes Ziel der Stadt Frankfurt ist es, auf Grundlage eines Magistratsbeschlusses, die strukturellen Voraussetzungen für den Rechtsanspruch auf Betreuungsplatzgarantie für Grundschulkinder auf kommunaler Seite zu schaffen. Dabei werden die jetzige Förderlinien durch ein einheitliches Konzept für ganztägig arbeitende Grundschulen, bei Integration der Landesressourcen, abgelöst. Die daraus folgende höhere Transparenz der Angebotsstrukturen erleichtert Familien den Zugang und die Orientierung in der Frankfurter Grundschullandschaft. Leitend bei der Entwicklung des Konzeptes sind die Bedürfnisse, Potentiale und Bildungserwartungen des Kindes. Alle Überlegungen müssen vom Kind aus gedacht Bestand haben. Das Wohl und die Bildungsmöglichkeiten des Kindes sollen tatsächlich deren Ausgangspunkt sein. Für die Entwicklung des Gesamtkonzepts wurde ein Beteiligungsprozess initiiert.
2. Wie sag dieser aus und welche Formen der Beteiligung gab es?
Grundhaltung des Stadtschulamtes ist es, neue Prozesse beteiligungsorientiert aufzusetzen, um das vorhandene Erfahrungs- und Fachwissen der Bildungsakteure, der Kinder und der Familien auszuschöpfen und Projekte nachhaltig umzusetzen. Der Projektverlauf und dessen Ergebnisse sind auf der Transparenzplattform frankfurt-macht-schule.de abgebildet. Der Prozess zur Entwicklung des Gesamtkonzeptes für ganztägig arbeitende Grundschulen begann diesen Februar mit einer eineinhalbtägigen Kick-Off-Veranstaltung. Kernstück der Beteiligung waren sieben thematische Werkräume, die im Zeitraum zwischen Februar und Juni 2019 stattfanden. Die Werkräume bestanden aus jeweils vier Workshops in deren Rahmen Maßnahmen oder Szenarien für das Gesamtkonzept entwickelt wurden. Um die Perspektive von Kindern einfließen zu lassen, wurden in den Osterferien Workshops an Grundschulen durchgeführt. Anfang Juni veranstaltete der Stadtelternbeirat eine Veranstaltung für Eltern von Grundschul- und Kitakindern, sodass deren Perspektive noch umfassender abgerufen werden konnte. Am 31. Oktober 2019 wurde diese erste Beteiligungsphase zur Entwicklung eines Gesamtkonzeptes mit einer Bilanzveranstaltung abgeschlossen. Ziel der Veranstaltung war es, die Ergebnisse zu würdigen und zu bilanzieren, um letzte Rückmeldungen in das Konzept aufzunehmen. Mit dem Ziel, das Konzept weiter zu entwickeln, werden im Rahmen einer zweijährigen Pilotphase die Maßnahmen erprobt und ausgewertet. Begleitet wurde dieser Prozess von einer Steuergruppe, deren Aufgabe es war, die fachlichen Inhalte des Projektes zu kommunizieren und zu unterstützen. Die Planung und Durchführung des Beteiligungsprozesses wurde von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung Hessen begleitet.
3. Welche Themen stehen innerhalb des Prozesses im Vordergrund? Und welche Herausforderungen sehen Sie für die nächsten Jahre?
2017 hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt einen Magistratsbeschluss verabschiedet, der den Auftrag und die Themen des Beteiligungsprozesses zur Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für ganztägig arbeitende Grundschulen beschreibt. Die jeweiligen Themen werden in drei Maßstabsebenen gedacht: Die Schule, das Quartier und die Region. Zentrale Aufträge sind, die Entwicklung eines Zielbildes für inklusive Frankfurter Ganztagsgrundschulen sowie die Konzipierung eines rhythmisierten gebundenen, teilgebundenen und offenen Modelles der Ganztagsschule. Zwei weitere wichtige Aufträge sind die Entwicklung eines Finanzierungsmodells, das die bestehenden Mittel der Kommune zusammenführt und die Mittel des Landes Hessens dabei berücksichtigt. Weiterhin sollen mögliche Szenarien einer Entgeltstruktur für Familien beschrieben werden. Ein weiterer Auftrag ist, die infrastrukturelle Grundlage für die Umsetzung des Gesamtkonzeptes zu erarbeiten. In Vorbereitung der Erfüllung eines Rechtsanspruches sollen praktikable Lösungsansätze für (Bestands-) Grundschulen und Quartiere, im gesamten Stadtgebiet entwickelt werden. Abschließender Auftrag ist die Benennung der Aufgaben der Schulsekretariate und der Schulhausverwaltungen im Sinne einer inklusiven Ganztagsgrundschule in Frankfurt am Main. Darüber hinausgehende funktionale Anforderungen werden definiert. Die beiden großen Herausforderungen der vergangenen Jahre werden uns weiterhin begleiten: Die räumliche und bauliche Infrastruktur bei stark wachsenden Schülerinnen- und Schülerzahlen. Sowie der Mangel an Erzieherinnen, Erziehern sowie Grundschullehrkräften. Beide großen Themen haben wir im Blick. Begrenzungen führen auch zu neuen Möglichkeiten. Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt hat im Mai 2019 den Planungsrahmen für Grundschulen verabschiedet. Auch dieser wurde in einem Beteiligungsprozess entwickelt. Er greift die Bedarfe nach optimierten Raumbedingungen einer inklusiven, ganztägig arbeitenden Grundschule umfassend auf. Die von der Stadt Frankfurt beschlossenen 11 neuen Grundschulen werden auf Grundlage des Planungsrahmen umgesetzt. Als Reaktion auf den Fachkräftemangel führt das Stadtschulamt Frankfurt in Kooperation mit der VHS Frankfurt seit 2017 Weiterbildungslehrgänge durch, die Personen ohne pädagogische Ausbildung für die Arbeit in Ganztagsgrundschulen qualifizieren. Diese Lehrgänge werden inzwischen auch von Personen, die im Frankfurter Umland arbeiten, gebucht.
Datum: 12.11.2019
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